Roland Ionas Bialke - Indymedia - 29. August 2005
Besetze Häuser, bzw. deren Räumungen, scheinen in den Medien auf
Interesse gestossen zu sein. Doch gibt es Besetzte Häuser in Berlin
wirklich? Wie verschwenderisch und bourgois sind autonome Strukturen,
und warum gibt es in Freiräumen so viele verschlossene Türen? Werden
autonome Freiräume (besetzte Häuser) in Berlin überhaupt gebraucht?
Diese Frage stellen sich wohl derzeit viele politisch engergierte
Menschen wenn sie den Berichten über die Yorck 59, dem Bethanien und der
Potse folgen.
Ein autonomer Freiraum, im Sinne eines besetzten Hauses, ist ein Raum für den kein Nutzer dieses Raumes Geld an den Eigentümer bezahlt, da der Besitzer in den meisten Fällen diesen Raum nicht, oder asozial nutzt. In solchen autonomen Freiräumen wird zum Beispiel für Musik-Konzerte kein Geld genommen und für Essen und Getränke ein Solidaritätsbeitrag zur Erhaltung des Raumes genommen. Allerdings sollte jeder Nutzer sein eigenes Essen und Trinken auch selbst mitbringen können. Das ist in der heutigen Pseudo-Besetzer-Szene in Berlin nich selbstverständlich. Zweck solcher Räume kann es sein Kreativität zu fördern, Obdachtlosigkeit zu mindern, alternative Unterhaltung zu schaffen, den kapitalistischen Strukturen und überwachenden Organen zu entfliehen, Freunde zu finden und zu treffen, einfach nur Spass zu haben, und so weiter... Der Staatsterror ist natürlich ausgeschlossen!
Gibt es solche autonomen Freiräume in Berlin? NEIN
Es gibt seit Anfang der 90er Jahre keine besetzten Häuser mehr in Berlin. Vereinzelt besetzen Personen aus der Punker- oder Berberszene Häuser und Wohnungen in Berlin. Werden diese aber von den Eigentümern entdeckt, so verhaftet und räumt die Polizei die Besetzer sofort, da ja keine Organisation hinter diesen Menschen steht. Ansonsten gibt es nur alternative Mietverhältnisse, wie die Brunnenstrasse 7, die Köpi, das Weissbecker-Haus und das Drugstore. Solche Formen der Beschneidung sozialer Rechte durch den Staat und durch Selbst-Versklavung würde einen wirklichen Hausbesetzer und Anti-Kapitalisten eher zu einer abdominalen Reaktion bringen. Ausserdem fördern diese Einrichtungen suchtkranke Menschen im negativen Sinne. Bestes Beispiel für den Verbrauch autonomer Hausbesetzer-Strukturen ist das Weissbecker-Haus. Seit etwa 3 Jahren beschäftige ich mich mit diesen Objekt. Konzerte kosten oftmals 5 bis 10 Euro, und um dort dauerhaft zu wohnen muss man Miete (was?) bezahlen. Positiv ist jedoch, dass Treber also obdachtlose, alternativ-wirkende und oft suchtkranke Jugendliche, für einige Tage im T.Weissbecker-Haus unterschlupf finden können. Negativ ist jedoch, dass Obdachtlose der Berber-Szene, also oft suchtkranke ältere Menschen, die heruntergekommen sind und sich nicht links-alternativer Symbolik bedienen, von Besuchern und Symphatiesanten des T.Weisbecker-Hauses diskriminiert werden. In diesem Fall unterscheiden sie sich nicht von Nationalsozialisten. Ein gewisser ermordeter Mörder würde sich auch bei dem Anblick der vielen Sicherheitsschlösser im Weissbeckerhaus im Grabe umdrehen und verlangen seinen Namen in Verbindung mit diesem Haus nicht mehr zu nennen. Vor kurzem erfuhr ich von einer gutaussehenden Bewohnerin des Weissbecker-Objektes, dass die Bewohner des Hauses sich selbst nicht als Besetzer bezeichnen, sowie das Haus nicht mehr besetzt ist.
Das letzte was man von den sogenannten Hausbesetzer mitbekam war die Räumung der Yorck 59. Vor der Räumung der Yorckstrasse 59 wurde nicht viel getan, vereinzelt konnte man an Häuserwänden Schriftzüge wie "Yorck 59 bleibt" lesen. Es wurde von den Bewohnern und Symphatiesanten zum Kampf gegen den Kapitalismus, und wohl auch gegen den Hauseigentümer und Gerichtsvollzieher, aufgerufen. Doch wieviel Sinn macht eine solche Forderung wenn die Befürworter eines Kampfes für autonome Freiräume entweder nicht wissen was "Kampf" bedeutet, oder aus Feigheit nicht in der Lage sind zu kämpfen? Statt einem Kampf wurde aus der ganzen Sache ein Krampf. Die Yorckstrasse 59 wurde am 06.06.2005 ohne bedeutsamen Widerstand geräumt. Besser formulliert: Die Bewohner hatten sich schon damit abgefunden gehen zu müsen, daher liessen sie sich räumen. Ich war an diesem Morgen dabei. Einige Aktivisten setzten sich vor das Haus und wurden dann von der Staatsmacht weggetragen. Da bekommen die Wörter "Hausbesetzer" und "Aktivist" doch total neue Bedeutungen. Danach hatte die Polizei leichtes Spiel. Nach der Überwindung leichter Hindernisse und popeliger Geschosse war das Haus in Ordnung um einen Kukuck zu kriegen. Vor den Absperrungen der Polizei bildete sich eine kleine reaktionäre Menschenmenge, und ich würde mich schämen diese Menschen als Demonstranten zu bezeichnen. Von einem Interesse an Freiräumen kann man wohl wegen dieser Veranstaltung sprechen, aber niemand von deren Teilnehmer hat augenscheinlich eine Absicht sich für autonome Freiräume bzw. besetzte Häuser zu engergieren. Die Leute aus der Yorck 59 nahmen dann das Bethanien ein, dieses muss aber bis Ende Oktober 2005 verlassen werden. Die Aktionen um dieses Objekt sind sehr gering gehalten, oder nicht existent. Ich habe nur von einem Solidaritätskonzert etwas mitbekommen. Dieses wird aber wohl nicht gelohnt haben, da es keine ständigen Besetzer im "Bethanien/New Yorck" mehr gibt. Auch zur Wiederbesetzung der Yorckstrasse 59 ist niemand bereit. Bei dem Solidaritätskonzert im Sozialamts-Bethanien fand ich den Flyer einer selbsternannten "militanten Gruppe". Auf dem Flyer und einer angegebenen Internetpräsenz fand ich Anleitungen zur Wiederbesetzung der Yorckstrasse 59 am 08.08.2005 unter Einsatz von Gewalt. Ich schnappte mir am vermeindlichhen Tag der Wiederbesetzung meine Digitalkamera, um die Wiederbesetzung, gemäss meiner journalistischen Tätigkeit, zu dokumentieren. Doch an jehnem Abend waren nur ein halbes Dutzend Möchtegern-Besetzer anwesend. Nach einigen Tagen Recherche fand ich heraus, dass sich selbst alternative Medien weigerten über diesen Aufruf zur Wiederbsestzung der Yorckstrasse 59 zu berichten. Es ist sehr bedauerlich, dass selbst der Berliner Stressfaktor, der über jede pseudo-linke Kommerzveranstaltung berichtet, nicht im Vorfeld über eine solche gewaltige Aktion zu berichten vermag. Das ist einfach nur traurig! Eine Stellungsnahme des Stressfaktor-Teams würde mich interessieren. Allerdings soll das Stressfaktor/squat.net-Team nicht die einzigen Medienvertreter, Gruppen und Organisationen sein, die sich für links-politische Aufgaben als relativ inkompetent erwiesen haben.
Die "Potse", in der Potsdamer Strasse 180, ist ein gutes Beispiel für den idiotischen Umgang mit Freiräumen in der links-autonomen Szene. Die Potse wurde Anfang des Jahres 2005, wegen internen Streitereien und mangels wirklichen Interesse an der Mitarbeit, geschlossen. Vor kurzem erfuhr ich jedoch, dass die Potse wenigstens gerade renoviert wird. Also scheint sich doch noch ein bischen zu tun. Doch bedauerlicher Weise ist bei vielen Nutzern des Potse-Angebots eine kommerzialisierte und asoziale Art von Interesse vorhanden, und es wird ständig nach Konzerten in der Potse gefragt, aber wahres sich-einbringen ist nur wenig zu finden. Im Endeffekt wird hier aber ein Freiraum verschwendet, indem man die Potse geschlossen hält. Ich muss anmerken, dass es sicher schwer ist verschiedene Interessen einvernehmlich zu bündeln, die Räume zu erhalten und etliche Veranstaltungen zu organisieren. Ich hoffe, dass die Potse noch in diesem Jahr geöffnet wird.
Am Ende ist nur zu bemerken, dass Wir in Berlin autonome Freiräume (besetzte Häuser) und ähnliche alternative Angebote brauchen, jedoch finden sich viel zu wenige mutige Aktivisten, die auch bereit sind für ihre Rechte und Ideen zu kämpfen. Die Nutzer der heutigen sogenannten besetzten Häuser sind oftmals Junkies, Kapitalisten, Faschisten jeglicher Richtung und Abenteuer suchender Superhelden.
Textrelevante Links:
http://www.stressfaktor.squat.net/
http://squat.net/potse/
http://tommyhaus.org/
http://www.yorck59.net/start.htm
http://subversiv.squat.net/brunnenstr.php