Roland Ionas Bialke - Indymedia - 11. März 2009
Gestern, am 10. März 2009, fand der zehnte Prozesstag gegen Roland statt. Es wurde ein Urteil gegen Roland wegen Widerstand gegen V ollstreckungsbeamte aus dem Jahr 2003 verlesen. Roland wird u.a. vorgeworfen sich bei einer Aktion im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy gegen eine Festnahme gewehrt zu haben.
Zu Beginn des zehnten Prozesstages sah ich mich mit einer neuen und mir unbekannten Anwältin konfrontiert. Diese sollte nur für diesen Tag die durch mich abgelehnte und durch die Richterin beigeordnete Anwältin vertreten. Ich lehnte diese Anwältin mit einen schriftlich gestellten Antrag ab, um deutlich zu machen, dass zwischen mir und der Anwältin überhaupt kein Vertrauensverhältnis besteht. Die Anwältin gab sogar zu sich überhaupt nicht auf den Prozess vorbereitet zu haben und nicht einmal die Aktenlage zu kennen. Trotzdem wurde mir diese Rechtsanwältin doch beigeordnet.
Ich beantragte daraufhin eine längere Pause, denn ich hatte erfahren, dass dieser Gerichtstermin nur angesetzt war, um geltendes Recht, die Strafprozessordnung, zu umgehen. Demnach darf eine Hauptverhandlung nur eine bestimmte Anzahl von Tagen unterbrochen werden. Ohne den heutigen, für 15 Minuten angesetzten, Termin, wäre diese Zeit überschritten und der Prozess wäre geplatzt. Darum wurde eben dieser Zwischentermin angesetzt, um darin nichts zu verhandeln. Das Amtsgericht Berlin ist vollkommen überlastet und es ist für "die kleinen Fälle" ein fiktives Zeitfenster vorgegeben. Wird dieses wie in meinen Fall überschritten, dann gerät dieses Mangelsystem durcheinander - Allerdings leider nicht ins wanken, da die Staatsgewalt immernoch zu viel Ressourcen besitzt. Eine Pause um einen schriftlichen Befangenheitsantrag gegen die Richterin zu stellen wurde abgelehnt. Darum stellte ich diesen Befangenheitsantrag mündlich. Dieser mündliche Antrag, den ich mit dem ungesetzlichen Zwischentermin begründete, wurde abgelehnt. Hier zeigte sich, dass die Richterin nicht einmal zuhörte. So lehnte sie den Antrag mit der Begründung ab, dass sie nicht befangen sei, weil sie mir die Anwältin beigeordnet hätte. Ich widersprach ihrer dienstlichen Stellungnahme mit der Stellungnahme, dass ich dieser widerspreche. Daraufhin unterbrach mich die Richterin und sagte: "Sie können meiner dienstlichen Stellungnahme nicht widersprechen."
Nun wurde ein Urteil von vor sechs Jahren verslesen. Damals hatte mich am Bahnhof Zoologischer Garten ein Bereitschaftspolizist von hinten geschlagen, mich anschliessend mit den Kopf gegen einen Betonpfeiler gerammt. In einem Mannschaftswagen der Polizei wurde ich dann bewusstlos - was auch immer in diesem Mannschaftswagen geschah - und wachte in einen nahegelegenen Krankenhaus wieder auf. Deswegen wurde ich damals wegen Widerstand gegen Vollsreckungsbeamte verurteilt. Warum dieses Urteil verlesen wurde ist mir auch nicht klar, das habe ich in einer Gerichtsverhandlung so auch noch nicht erlebt. Wahrscheinlich diente dieses alte Urteil der Dramatisierung der neuen Anschuldigung. "Einmal Widerstand, immer Widerstand!" Mir war es jedenfalls unangenehm, dass ich mich damals, vor sechs Jahren, im Gerichtssaal zu Sache eingelassen hatte. Selbst im Urteil war die Einlassung dann falsch wiedergegeben und diente nur dazu um mich besser aburteilen zu können. Als ich eine Stellungsnahme zu dem verlesenen Urteil abgeben wollte, wurde ich durch die Richterin unterbrochen und die Hauptverhandlung wurde sehr schnell für diesen Tag beendet. In meiner angefangenen Stellungnahme hatte ich mich dahingehend geäussert, dass damals Polizisten gelogen haben, selbst im (rechtskräftigen Urteil) etwas Falsches steht und davon auszugehen sei, dass auch "Richter und Richterinnen lügen". Der Staatsanwalt verliess unter Termindruck ganz schnell den Saal. Ich führte jedoch weiter aus: "Wir wissen, dass Polizisten und Polizistinnen im Gerichtssaal lügen. Auch in diesem Prozess haben Polizisten gelogen! (...) Warum darf ich meine Stellungnahme zum verlesenen Urteil nicht abgeben und werde unterbrochen? Entweder es wird hier nach dem Gesetz verhandelt oder nicht!" Als ich darauf zu sprechen kam, dass die Richterin selbst Recht bricht, wenn sie mir keine Stellungnahme gewährt, drohte sie mit strafrechtlichen Schritten wegen einer Beleidigung. Schon vorher wurde in der Hauptverhandlung dargelegt, dass ich auch zu einer Jugendstrafe wegen Beleidigung abgeurteilt wurde. Damals hatte ich einen Bereitschaftspolizisten mit einen Totenkopfanstecker an der Uniform als "Nazi-Skinhead" bezeichnet. Heutzutage hätte ich das ganz sicher anders formuliert.
Vor dem Prozess war ich zwei Polizisten der "Spezialeinheit für politisch motivierte Strassengewalt" (PMS) über dem Weg gelaufen. Das war ungewöhnlich, denn in den letzten neun Prozesstagen gegen mich hatte sich niemand von denen sehen lassen. [Verdammter Profiler!!] Fast zeitgleich zu dem Prozess gegen mich fanden parallel zwei Prozesse gegen die in der Berliner Neonazi-Szene aktiven Lars W. und David G. statt. Ich beobachtete den Prozesss gegen Lars W. - Dieser wurde freigesprochen! Bei dem Angriff auf den Geschädigten durch eine Gruppe Neonazis sollen laut Anklage u.a. David G., David J. und Lars W. dabei gewesen sein. Der Geschädigte bekam einen Schlag ab, erlitt eine Platzwunde. Ausserdem wurde eine Flasche auf ihn geworfen und durch David G. Pfefferspray benutzt. Der Geschädigte konnte jedoch Lars W. nicht zuordnen, deshalb der Freispruch. Zwei Zeuginnen, Frau W. (Anwaltsgehilfin) und Frau D. (arbeitet im Gesundheitswesen), aus der Gruppe der Berliner Neonazis versuchten durch ihre Aussagen die Haupttat auf den im Gefängnis sitzenden David J. zu schieben. Das wurde nach dem Freispruch durch die vorsitzende Richterin festgestellt. Die Richterin betonte: "Dieser Vorfall sei keine politische Sache gewesen!" Die Richterin (und auch ein Beisitzer) hatten in einen anderen Prozess, in dem die Tat "politisch" war, einen Neonazi aus der selben Gruppe verurteilt. Damals hatte Lars W. als Zeuge ausgesagt. Interessant war auch wieder die Frage wer die Anwälte der Neonazis waren. Beide waren blond, schlank, hatten kurze Haare und waren etwa 185 bis 195cm gross. Die Namen konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Einer der Anwälte vertrat auch den im Gefängnis sitzenden David J., der angeblich der Neonazi-Szene abgeschworen hat.
Der nächste Prozesstag gegen mich findet am 24. März 2009 ab um 12 Uhr 30 - Raum B 219 im Amtsgericht Turmstrasse in Berlin, Wilsnacker Strasse 4, 10559 Berlin - statt. Wenn Ihr den Prozess beobachtet und Euch kommt was seltsam vor, dann fragt einfach danach! Dieser Prozess dient auch der Demaskierung und der Recherche. So habe ich beispielsweise durch Tricks versucht Fotos als Beweismittel zu thematisieren und habe mich beispielsweise dadurch selbst gefährdet. Für ProzessbeobachterInnnen mag das sicher merkwürdig sein. Ist es auch. Schaut Euch mal "Der Club der toten Dichter" an - Die Szene wo alle auf die Tische steigen ist besonders interessant!
Vergangene Prozesstage:
1. Prozesstag - http://de.indymedia.org/2008/11/231679.shtml
2. Prozesstag - http://de.indymedia.org/2008/11/232789.shtml
3. Prozesstag - http://de.indymedia.org/2008/12/234759.shtml
4. Prozesstag - http://de.indymedia.org/2008/12/236428.shtml
5. Prozesstag - http://de.indymedia.org/2008/12/236870.shtml
6. Prozesstag - http://de.indymedia.org/2009/01/238796.shtml
7. Prozesstag - http://de.indymedia.org/2009/01/239975.shtml
8. Prozesstag - http://de.indymedia.org/2009/02/241626.shtml
9. Prozesstag - http://de.indymedia.org/2009/02/242655.shtml