Roland Ionas Bialke - Indymedia - 12. März 2009
Gestern, am 11. März 2009, fand im Amtsgericht Tiergarten ein Prozess gegen einen Aktivisten statt, der am 8. Dezember 2007 an einer Freiraumdemonstration unter dem Motto "One struggle, one fight" in Berlin teilgenommen hatte. Nach der vorzeitig durch Polizeigewalt beendeten Demonstration verstreuten sich Kleingruppen im Umfeld. Hierbei verlor ein PKW der Polizei die Verglasung.
Zum Amtsgericht waren gestern etwa 25 UnterstützerInnen gekommen, um den Prozess zu beobachten. Kurzzeitig erschienen auch zwei in ziviler Kleidung auftretende Aufklärer der Berliner Spezialeinheit für "politisch motivierte Strassengewalt" (PMS).
Dem Angeklagten wurde durch die Staatsanwaltschaft vorgeworfen, er hätte am 8. Dezember 2007 an der Freiraumdemonstration unter dem Motto "One struggle, one fight" in Berlin teilgenommen, hätte sich nach der Beendigung der Demonstration am Hackeschen Markt in einer Kleingruppe entfernt und dann in der Münzstrasse/Memhardstrasse (die Memhardstrasse ist die Verlängerung der Münzstrasse) ein einzelnes Polizeiauto erblickt. Der Anklage zufolge hätte er sich dann aus der Kleingruppe gelöst und einen Werbeaufsteller erst auf die Motorhaube des Polizeifahrzeugs und dann auf die Frontscheibe geworfen.
Da der Angeklagte seine Aussage verweigerte, wurde nun der erste Zeuge gehört. Der Polizist Herr Ullrich, 50 Jahre alt, beobachtete in ziviler Kleidung die Demonstration. Er betonte, er hätte sich nicht in der Demonstration aufgehalten hat. "Dafür sind die uniformierten Kräfte zuständig!". Nachdem die Demonstration beendet worden war, beobachtete Ullrich in der Münzstrasse "eine Gruppe von acht vermummten Personen". Als in der Münzstrasse Ecke Rosa-Luxemburg-Strasse ein PKW der Polizei vorbeifährt, so sagte Ullrich, habe sich der "halbvermummte" Angeklagte aus der Gruppe gelöst und einen Werbeaufsteller erst auf die Motorhaube und dann auf die Frontscheibe des Polizei-PKWs geworfen. Anschliessend rannte der Angeklagte in der Kleingruppe über die Rosa-Luxemburgstrasse und Dirksenstrasse davon und warfen hierbei Absperrungsgegenstände von einer Baustelle auf die Fahrbahn, sagte Ullrich. Dann soll der Angeklagte auf der Mittelinsel der Karl-Liebknecht-Strasse gestanden haben. Alle in der Kleingruppe nahmen sich die Vermummung ab. Der Polizist will direkt daneben gestanden haben. Auf Nachfrage der Richterin sagte Ullrich: "Für mich war Herr X [der Angeklagte, Name zensiert] die wichtigste Person. Er war nicht so vermummt, dass man ihn nicht erkannt habe! ich weiss nicht mehr woran ich ihn erkannt habe. Er hat mir direkt ins Gesicht geschaut"
Nach Ullrichs Aussage, habe sich dann die Gruppe in eine Dreier- und eine Fünfergruppe aufgeteilt. Die Fünfergruppe, darunter der Angeklagte, wären dann wieder auf die Rosa-Luxemburg-Strasse gegangen und hätten weiterhin Absperrungsmaterial auf der Fahrbahn verteilt. Der Polizist Ullrich verfolgt, auch für die Gruppe erkennbar, die Gruppe und versucht über eine Festnahmeeinheit anzufordern. Hierbei trifft er - schon im Prenzlauer Berg angelangt, also einen Stadtbezirk weiter - seinen ebenfalls in ziviler Kleidung arbeitenden Kollegen Herr Schäfer. Dieser hatte vorher auch das Demonstrationsumfeld überwacht. Die beiden verlieren die Fünfergruppe und müssen einen Security fragen, ob die schwarz gekleidete Gruppe dort vorbeigekommen war. Kurze Zeit später sehen die zwei Polizisten vier schwarz gekleidete Personen aus einen Wohnhaus kommen. Ullrich und Schäfer halten diese Personen daraufhin fest. Darunter der Angeklagte.
Die Richterin fragte: "Wie sah denn der Angeklagte aus?" Ullrich antwortete daraufhin: "Kann ich nicht sagen." Auch zur Haarlänge des Beschuldigten konnte er keine Angaben machen. Nur, dass er ihn unterscheiden konnte - als er vermummt war - da die anderen Personen weiblich waren. Aufgrund der Körpergrösse. Der Beschuldigte wurde nun aufgefordert aufzustehen. Er war schlank und nicht übermässig gross, erkannte die Richterin. Eine schriftliche Zeugenaussage wurde dem Zeugen nun vorgehalten. Darin hatte der Fahrzeugführer des gesmashten Polizeiautos, Graumann, ausgesagt, dass alle Angreifer vermummt waren und er keinen der Angreifer (wahrscheinlich bezogen auf die spätere Vorlage von Personenfotos) erkennen konnte. "Sieben Personen kamen auf mich zu." Nun wurde Ullrich gefragt, warum der näherstehende Graumann niemanden erkennen konnte, er weiter weg stehend den Angeklagten aber erkannt haben will. Daraufhin meinte Ullrich: "ich mache das schon sechs Jahre. Er war wahrscheinlich so perplex."
Auf weitere ZeugInnen wurde verzichtet, da sich nach Aktenlage niemand der anderen geladenen ZeugInnen in der Münzstrasse aufgehalten hatte bzw. dort aufgegriffen wurde. Der Staatsanwalt beantragte einen Freispruch und der Rechtsanwalt des Angeklagten schloss sich dem Antrag des Staatsanwaltes an. Der Beschuldigte wurde nach kurzer Pause freigesprochen.
http://maps.google.de/maps?hl=de&tab=wl&q=M%C3%BCnzstrasse%20Berlin