Roland Ionas Bialke - Indymedia - 5. Juni 2009
Unter dem Motto "Unterstützt die 1.-Mai-Gefangenen!" fand heute, am 5. Juni 2009, eine Kundgebung vor der Berliner Justizvollzugsanstalt Moabit statt. Bis zu 100 Menschen versammelten sich vor dem Gefängnis um sich mit den Gefangenen zu solidarisieren. Die Repression gegen Alexandra und Nikos wurde thematisiert und deren Freiheit gefordert.
Kurz nach Beginn der Kundgebung, die durch einen Lautsprecherwagen unterstützt wurde, sagte der Versammlungsleiter durch, dass es den VersammlungsteilnehmerInnen nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) nicht gestattet wäre die Gefangenen direkt zu grüssen. Das würde eine Ordnungswidrigkeit nach § 115 OWiG - http://bundesrecht.juris.de/owig_1968/__115.html - darstellen. Der Zweck der Versammlung, sich mit den Gefangenen zu solidarisieren, war durch dieses dumme Gesetz gefährdet. Und so wurde durchgesagt: "Wir grüssen NICHT die Gefangenen!", was durch die vorige Erklärung des Versammlungsleiters das genannte Gesetz aushebelte, da die Gefangenen nun wussten, dass sie gegrüsst werden sollen.
Die Versammlung wurde an allen Zugangswegen von einer Direktionshundertschaft belagert. Jeder Mensch der für diese PolizistInnen nach DemonstrantIn aussah wurde aufgefordert sich kontrollieren zu lassen. Das sah so aus, dass die potenziellen KundgebungsteilnehmerInnen von den belagernden PolizistInnen gefragt wurden, ob sie an der Kundgebung teilnehmen wollten. Wenn sie bejahten, dann wurde ihnen gesagt, dass nun eine Vorkontrolle durchgeführt werden müsste und die PolizistInnen in ihre Taschen gucken wollte.
Da mir weder ein Grund nach § 15 oder § 17a des Versammlungsgesetzes bzw. § 34 des Allgemeines Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin bekannt war, der mich dazu veranlassen würde mir in die Taschen gucken zu lassen und ich auch nicht gewillt war an mir rumgrabbeln zu lassen, verweigerte ich diese Vorkontrolle. Daraufhin erlaubten mir die PolizistInnen mit der Rückennummer D2 nicht an der Demonstration teilzunehmen. Da ich meine Versammlungsfreiheit höher gewichte als die Unversehrtheit einer Uniform, hätte ich das Problem auch unkonventionell angehen können. Das musste ich aber nicht, da sich die schon kontrollierten VersammlungsteilnehmerInnen mit mir solidarisierten indem sie auf die Reihe PolizistInnen gemeinschaftlich zugingen und die PolizistInnen fragten, warum ich denn nicht an der Kundgebung teilnehmen dürfe. Zwar fingerte ein Polizist trotzdem ein wenig an meinen Sachen und mir herum, aber durch diese Hilfsbereitschaft der KundgebungsteilnehmerInnen sichtlich oberflächlich und nervöser. Mich würde interessieren, ob Vorkontrollen eine Auflage der Versammlung waren. Wenn ja, dann würde mich der Grund den die Polizei aufgeführt hat interessieren. Mir gegenüber wurde nur Unsinn geredet: "Es ist nur zu Ihrer eigenen Sicherheit." Die KundgebungsteilnehmerInnen schienen nicht die Kraft zu haben sich den Vorkontrollen zu widersetzen. Ich habe auch nicht die Kraft mich jedes Mal solchen Vorkontrollen zu widersetzen. Aber jedes Mal wenn sich ein Mensch gegen diese Vorkontrollen widersetzt, gegen Repression widersetzt, kämpft er oder sie sich ein Stück Würde und Freiheit zurück. Es ist traurig zu realisieren wie sehr Repression Alltag geworden ist und Wir sie kaum noch bemerken. Hilfreich ist hierbei eine Gemeinschaft, die die Folgen der Repression für den oder der Einzelnen mildert und es leichter macht sich gegen Repression zu wehren. Und genau das sollte auch in der heutigen Kundgebung zum Thema gemacht werden.
Kämpferische Musik erklang. Sprechchöre wie "Mit Power durch die Mauer - Bis sie bricht!" wurden von den KundgebungsteilnehmerInnen gerufen. Ein Redebeitrag von der Solidaritätsgruppe für Alexandra R., die am 18 Mai 2009 festgenommen wurde und immer noch in Haft gehalten wird, wurde verlesen. Darin wurde thematisiert, dass durch die Medienhetze von Springer und Co. die Untersuchungshaft von Alexandra verschuldet wurde. Alexandra wird vorgeworfen ein PKW angezündet zu haben, wurde in der relativen Nähe eines auf einen PKW-Reifen abgelegten entzündeten Brandsatzes gesehen und festgenommen. Da kein dringender Tatverdacht bestand, wurde sie freigelassen, jedoch nach Medienhetze von BZ, Berliner Kurier und Morgenpost verhaftet. Auch ihre Wohnung wurde durchsucht. Wegen dieser unverantwortlichen Repression und für Alexandra gab es auch ein Transparent mit der Aufschrift "Free Alex" auf der Kundgebung.
Die Solidaritätsgruppe für Alexandra - http://free-alexandra.tk
Ein anderes Transparent forderte die Freiheit von Nikos K.! Nikos wurde am 16. Mai 2009 in Griechenland wegen der Nicht-Einhaltung von Meldeauflagen verhaftet, obwohl er einen Zeugen für die Einhaltung der Meldeauflagen hat. Melden musste er sich bei der Polizei wegen Kleinigkeiten die ein politischer Aktivist eben macht - Hier: Das Aufhängen von Transparenten bei einem Fussballspiel. Da Nikos politisch aktiv ist und sich anscheinend durch den Repressionsapparat nicht einschüchtern lässt, konstruierte die griechische Justiz einen Brandanschlag auf eine Bank um ihn weiter festhalten zu können. Nikos befindet sich im Moment bewacht in einem Krankenhaus, da er im Gefängnis einen Hunger- und Durststreik durchführte. Über Nikos wurden Flyer an PassantInnen verteilt, insofern sich diese von der Kundgebungsabschirmung der Polizei nicht beeindrucken liessen.
Von Anarchist Black Cross Berlin gab es einen Redebeitrag der die Gefangenen des 1. Mai 2009 und die Repression gegen vermeindliche AutobrandstifterInnen in Berlin thematisierte. So findet am Mittwoch, den 10. Juni 2009, um 17 Uhr vor den Frauengefängnis Pankow in Berlin eine Kundgebung für Alexandra statt. Und auch für die vier AktivistInnen, die beschuldigt werden am 1. Mai 2009 sogenannte Molotowcocktails auf PolizistInnen geworfen zu haben, wird mobilisiert. Einzelheiten hierfür werden im Stressfaktor bekanntgegeben und auf Indymedia thematisiert. Die Musik wurde stellenweise unterbrochen, weil Rufe aus dem Gefängnis zu hören waren. Diese wurden erwidert. In einem anderen Redebeitrag wurde öffentlich, dass vor kurzem drei Bewohner einer Wohngemeinschaft durch ein Spezialeinsatzkommando (SEK) in ihrer Wohnung überfallen wurden. Nachts wurde ihre Tür aufgerammt und die schlafenden Bewohner unsanft geweckt. Ein schlafender WG-Bewohner wurde schlafend durch martialisch wirkende SEKler von einem zwei Meter hohen Hochbett gerissen.
Nach etwa zwei Stunden wurde die Kundgebung ohne weitere Vorkommnisse beendet. Leider waren zu wenige Menschen da und das Gefängnis steht noch. Es wäre gut, wenn Ihr die Redebeiträge und die Vorkommnisse an die ich mich nicht erinnere ergänzen würdet.
Für mich kam diese Kundgebung gelegen um gegen Repression zu demonstrieren. Gestern, gegen 21 Uhr, standen plötzlich zwei Polizisten in ziviler Kleidung vor meiner Wohnungstür und lasen mir eine Gefährderansprache vor. Ich solle nicht nach Dresden fahren um dort "medienwirksam auf den Präsidenten [Obama] zuzustürmen". Das war noch ganz moderat. Heute, gegen 9 Uhr, klingelte es dann aber noch einmal. Ich schaute durch den Türspion und dachte hinter der Haustür würde ein Reklameeinwerfer stehen. Diese Person rüttelte mehrmals an der Haustür, manipulierte dann die Türfalle der Haustür - er wurde nicht von anderen BewohnerInnen reingelassen - und kam dann mit einem mir vom Angesicht bekannten Polizist in ziviler Kleidung an meine Tür. Dieser Polizist vom LKA 63 tritt in Gerichtsprozessen mit der Codiernummer 33793 auf. Doch dieser Polizist klingelte nicht an meiner Wohnungstür, sondern versuchte sie aufzudrücken. Da ich beim Durchgucken durch den Spion meine Stirn an der Tür zu kleben hatte, spürte ich diesen Druck ganz genau. Da versuchte doch ein Polizist in meine Wohnung einzubrechen. In einem Polizeibericht heisst es nämlich sinngemäss, dass meine Wohnungstür durch aufdrücken zu öffnen sei, da bei einer Wohnungsdurchsuchung die Tür beschädigt wurde. Zum Glück habe ich mitlerweile eine neue Tür. Nachdem er merkte, dass meine neue Wohnungstür nicht aufgeht, klingelte er dann doch. Diesmal klang die erneute Gefährderansprache aber nicht so legal. Codiernummer 33793 sagte, dass er kontrollieren wolle, dass ich trotz der Gefährderansprache vom Vortag nicht nach Dresden fahre. Dann sagte er sinngemäss, wenn ich nach Dresden fahre würden sie mich festnehmen, und schränkte so mein Versammlungs- und Petitionsrecht ein. Dieses Foto von diesen Polizisten wurde in einer Gerichtsverhandlung gegen mich als Beweismittel verwendet: http://sondereinheit.fateback.com/0133.html
Es befanden sich auch zwei szenebekannte Polizisten in ziviler Kleidung in der Nähe der Kundgebung. Ihr bekanntes Auto mit dem Kennzeichen B-IL927 hatten sie direkt gegenüber der Kundgebung abgestellt. Ebenfalls befanden sich bei den Polizeifahrzeugen zwei mir suspekte Personen in ziviler Kleidung, kann allerdings nicht mit Sicherheit sagen, dass es sich um Polizeibeamte handelte.