Roland Ionas Bialke - Indymedia - 12. Juli 2009
Vor einigen Tagen erschien die 106-seitige Broschüre "Polizeibericht Berlin 2009", in der die Ausrüstung, Struktur und Einsatztaktik der Berliner Polizei berichtet wird. Zudem werden Hintergründe und Analysen zum Polizeiverhalten dargestellt und kritisiert. Die Broschüre wurde unter dem Label "Autonome Gruppen" veröffentlicht. "Repression - Wenn Dein Weg über kurz oder lang nicht an ihr vorbei führt, ergeht es dir wie vielen anderen, die sich für linksradikale und autonome Politik stark machen.", leiten die AutorInnen den "Polizeibericht Berlin 2009" ein und begründen ihre Veröffentlichung mit dem Einschränken von Aktionsformen, besonders bei Demonstrationen, durch die Repressionsorgane. Neben gesellschaftliche Auswirkungen der Polizeiarbeit thematisieren die "Autonome(n) Gruppen" den Aufbau und die Organisation der Berliner Polizeibehörden, spezielle Formationen im Detail, taktische Zeichen und Arbeitsgeräte der Polizei. Gründlich wird auch beleuchtet, wie die Polizei die MedienvertreterInnen mit falschen Informationen füttert, um vom krassen fehlverhalten der Polizei abzulenken oder dieses zu rechtfertigen.
Der Polizeibericht Berlin 2009 ist eine gute Zusammenfassung von öffentlich bekannten Informationen über die Berliner Polizei. Durch diese Broschüre können nun neue AktivistInnen das wissen, was sich viele Autonome durch jahrelange Erfahrung haben aneignen müssen. Ob die Broschüre einen Nutzen hat, wird sich zeigen. Die AutorInnen scheinen darauf bedacht gewesen zu sein, nur der Öffentlichkeit bekannte Quellen zu nutzen. So erheben die AutorInnen sicher keinen Anspruch auf Vollständigkeit, ich hätte mir zum Beispiel mehr Platz für die Erläuterung von taktischen Zeichen (beispielsweise "1Z" für Hundestaffel der 1. Berliner Bereitschaftspolizeiabteilung) gewünscht. Trotzdem ist diese Broschüre sehr lesenswert und informativ.
Die Bröschüre "Polizeibericht Berlin 2009" hat zwischenzeitlich direkte Auswirkungen auf die Berliner Polizei. Die (eingeschränkte)Flexibilität der Berliner Polizei, beispielsweise das Tauschen der benummerten Helme unter verschiedenen Einheiten um die Identität der PolizistInnen zu verschleiern, wurde in der Broschüre gut dokumentiert. Seit dem 11. Juli 2009 gibt es auf Grund der Broschüre nun auch "neue Einheiten". So konnte ich eine Polizeieinheit mit der Rückennummer "L1" beobachten. Als mich ein Polizist aus der Einheit sahm sagte er: "Merk Dir die Nummer!" Auch weitere Geschehnisse zeigen, dass sich Antirepressionsarbeit direkt auf das Verhalten der Polizei auswirken. So werden Indymediaberichte durch PolizistInnen auf entsprechenden Foren diskutiert und in Einsatzbesprechungen thematisiert. Es gilt dieses positiv für Uns zu nutzen und die Diskussion in den Themenkreis der Medien auszuweiten.
Dass die Broschüre unter den Label "Autonome Gruppen" veröffentlicht wurde, zeigt wie sehr der Repressionsapparat zensierend wirkt. So werden kritische JournalistInnen, auch wenn sie nur öffentlich zugängliche Informationen verbreiten, mit Durchsuchungen und Gewalt überzogen. So wurde zum Beispiel ein Journalist während den "WBA-Actionweeks" durchsucht, nur weil er über die Aktionswochen der Freiraumkampagne "Wir Bleiben Alle" berichtete. Und auch Menschen die über die Homepage http://www.sondereinheit.fateback.com, eine Internetseite die "Sondereinheiten" der Polizei dokumentiert, berichteten, wurden mit Repression überzogen.
Es ist sinnvoll zu fordern, dass BeamtInnen und bei Repressionsorganen angestellte Personen sich während ihrer Arbeit individuell und für alle sichtbar kennzeichen müssen. Ebenso sollten PolizistInnen keine Waffen mehr tragen dürfen. Der unverhältnismässige Einsatz von chemischen Kampfstoffen bei Demonstrationen, amoklaufenden PolizistInnen und die Hinrichtung von Dennis zeigen, dass sich PolizistInnen in logischen Extremsituationen befinden und auf gar keinen Fall Waffen handhaben dürfen.
Ein Kritikpunkt an der Broschüre "Polizeibericht Berlin 2009" bleibt. Bislang wurde die Broschüre nur in Papierform veröffentlicht und wird so nur in exklusiven Kreisen Verbreitung finden. Es liegt nun bei anderen Personen die Broschüre einzuscannen und einer breiteren Öffentlichkeit via Internet zugänglich zu machen. Die AutorInnen schreiben dazu: "Der Nachdruck und Veröffentlichung von Inhalten in anderen Publikationen ist erwünscht." Momentan ist der "Polizeibericht Berlin 2009" in jedem gutsortierten Berliner Infoladen zu erhalten.