Roland Ionas Bialke - Indymedia - 1. Dezember 2009
Am 26. November 2009 wurde Roland in einer Berufungsverhandlung am Berliner Landgericht wegen "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte" und Waffenbesitz in Tateinheit mit einen Verstoss gegen das SprengG (Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe) zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen a 10 Euro verurteilt. Roland hatte am 12. November 2007 eine Veranstaltung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy gestört und wurde dabei von Beamten in ziviler Kleidung und Uniform überwältigt. Etwa zwei Jahre zuvor, am 24. Dezember 2006, wurde Rolands Wohnung durch den Berliner Staatsschutz durchsucht. Dabei wurden drei erlaubnisfreie Waffen, die Roland wegen einem Waffenverbot für den Einzelfall nicht besitzen durfte, und angeblich etwa 60 Gramm Schwarzpulver gefunden.
Am letzten Prozesstag wurde genau der BKA-Beamte geladen, der mich am 12. November 2007 in der Nähe der Bundeskanzlerin überwältigte und anschliessend mich mit weiteren BeamtInnen aus dem "Sicherheitsbereich der Bundeskanzlerin" gebracht hatte. Wie alle BeamtInnen sagte er aus, dass ich mich gegen das Verbringen und Überwältigen widersetzt hätte. Doch alle BeamtInnen beschrieben das an einer anderen Stelle. Ebenso unterschieden sich die Aussagen und die Anzeigen der BeamtInnen. So sagte beispielsweise ein Beamter, ich hätte ihn gegen den Oberkörper getreten und er hätte Schmerzen gehabt. Im Gerichtssaal sagte er dann aus, er hätte keine Schmerzen gespührt und ein Schlag hätte ihn getroffen.
Der nun aussagende BKA-Beamte machte die Märchenstunde komplett. So sagte er aus, beim Überwältigen hätte ich mich an einem Zaun festgehalten um nicht weggezogen zu werden. Gegen andere BeamtInnen hätte ich mich aber nicht widersetzt. Auf den Videos war ein Zaun zu sehen. Dieser war aber etwa vier Meter von der Stelle der Überwältigung entfernt. Zwischen Zaun und mir standen etliche JournalistInnen und mindestens ein Kamerateam. Die Äusserungen der vorsitzenden Richterin Margarete Koppers machten während der Zeugenvernehmung deutlich, dass sie mich bezüglich des "Widerstand" verurteilen würde.
Als nächster Zeuge war der Dipl. Ingenieur Hans Plostica (58, Beamter beim LKA KT) geladen. Plostica hatte die schwarzpulversuspekte Substanz chemisch untersucht, obwohl er kein Chemiker war. Trotzdem schien er ziemlich Ahnung von Chemie zu haben und brachte auch ein Standartwerk der Sprengchemie mit in dem Gerichtssaal. Er erläuterte, aus was sich Schwarzpulver zusammensetzen kann - die von ihm untersuchte Substanz war demnach (eine Variante von) Schwarzpulver. Zudem gab er auf Nachfragen an, dass sich mit Kohlenstoffdioxid oder Wasserstoffperoxid Schwarzpulver zu einer nicht explosionsgefährlichen Substanz machen kann.
Als Plostica von mir über die Analyseverfahren befragt wurde, gab er an, dass die Untersuchungen sehr ungenau seien. So konnte beispielsweise mit einer Untersuchung nicht der Holzkohlegehalt gemessen werden. Um die Holzkohle zu identifizieren gab er an, durch ein Mikroskop geschaut zu haben. Plostica sagte schliesslich aus, dass der Druck, die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit und die gasförmigen Bestandteile der schwarzpulversuspekten Substanz nicht gemessen wurden. Weiter gab er an, dass festes Kohlenstoffdioxid extrem kalt ist. Wenn die in einer Gefrierbox gefundene schwarzpulversuspekten Substanz mit Kohlenstoffdioxid phlegmatisiert wurde, dann müsste die Gefrierbox sehr kalt gewesen sein, es sei denn, die Substanz stände unter Vakuum.
Da alle meine Anträge abgelehnt wurde, war mir klar, dass ich auch in diesem Punkt verurteilt werden sollte. Daher beantragte ich als letztes folgendes:
""" Ablehnung aller Gerichtspersonen
Hiermit lehne ich die vorsitzende Richterin Margarete Koppers, den beisitzenden Schöffen und die beisitzende Schöffin, sowie die Staatsanwältin, die Protokollantin und alle anderen Gerichtspersonen ab.
Begründung:
Die vorsitzende Richterin Margarete Koppers, der beisitzende Schöffe und die beisitzende Schöffin, sowie die Staatsanwältin, die Protokollantin im Prozess gegen Roland Bialke und alle anderen Gerichtspersonen haben in der Vergangenheit die Greultaten der Repressionsorgane unterstützt oder als Teil der Repressionsorgane an Greultaten gegen Menschen mitgewirkt. So verurteilte die Richterin Margarete Koppers in ihrer Laufbahn mehrere Menschen zur Folter der Gefangenschaft und ist somit für das Leid etlicher Menschen verantwortlich. Auch der beisitzende Schöffe, die Staatsanwältin und die Protokollantin haben schon zuvor an der Aburteilung von Menschen zur Folter der Gefangenschaft beigetragen.
Diese Ablehnung begründe ich nicht auf "die Ablehnung durch Befangenheit" der Strafprozessordnung, denn die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland sind selbst Werkzeuge der Folter. Werkzeuge um Menschen abzustrafen, anstatt gemeinsam ein erfülltes Leben zu führen, auf Fehler hinzuweisen und sich gegenseitig zu unterstützen. Ich lehne die genannten Personen aufgrund meiner Menschlichkeit ab
Zwang ist was diese von mir abgelehnten Menschen anwenden. Ob durch Versklavung bzw. Arbeitszwang, Zwangsvorführung oder das Einsperren von wertvollen Leben. Diese durch mich abgelehnten Menschen dürfen keine Macht mehr über andere Menschen ausüben! """
Da am 24. November 2009 das Hausprojekt Brunnenstrasse 183 geräumt wurde, war ich platt - hatte nicht geschlafen und versäumte so vorher noch einige wichtige Anträge zu stellen. Trotzdem hatte ich mein bestes gegeben um klarzustellen, dass ich diesen Staat und seine Justiz ablehne, nur unter Zwang am Prozess teilnehme. Nach dem Plädoyer meiner Rechtsanwältin, die beantragte mich wegen einer psychischen Erkrankung zu wenigen Tagessätzen zu verurteilen, kam vorgezogen mein Plädoyer. Dieses setzte ich aber in den Sand, da ich mich nicht konzentrieren konnte. Ich beantragte in allen Punkten einen Freispruch, machte deutlich, dass der psychische Gutachter den Waffenverbotsgrund gegen mich ausgeräumt hatte, somit ein Waffenverbot nicht bestünde und sowieso ein Verbotsirrtum vorgelegen hätte. Ich führte aus, dass die Staatsanwaltschaft nicht bewiesen habe, dass das Schwarzpulver in meiner Wohnung nicht phlegmatisiert war. Auch legte ich nochmal dar, dass der Berliner Staatsschutz gegen mich ein besonderes Ermittlungsinteresse hatte, Beweismittel verschwinden liess, andere beschlagnahmte Beweismittel nicht aufführte und auch gegen andere politische AktivistInnen kriminell agierte. Die Staatsanwältin beantragte anschliessend die Berufung zu verwerfen.
Dann kam mein letztes Wort. Ich drehte mich demonstrativ zu den SchöffInnen und der Richterin und thematisierte die Gefangenschaft, zu der sie mich und andere verurteilen wollen. Ich machte klar, dass sich im am Gericht angrenzenden Untersuchungsgefängnis Moabit die Gefangenen durch die Folter der Gefangenschaft leiden würden. Dabei erwähnte ich auch einen kürzlich geschehenen Selbstmord in der JVA Moabit. Ich erklärte, dass das was die SchöffInnen und die Richterin hier machten, Menschen einzusperren, sei gegen die menschliche Natur. Ich meinte, es gehe nicht darum, Menschen zu helfen sondern allein um Abstrafung. Dies sei schrecklich, ich würde darum das Verhalten der SchöffInnen und der Richterin ablehnen. Jemand müsse sie aufhalten, damit nicht noch mehr Menschen Leid zugefügt wird.
Nach einer dreiviertel-stündigen Pause wurde dann das erstinstanzliche Urteil zu 60 Tagessätzen a 10 Euro abgemildert. Was jetzt folgte war eine Moralpredigt der Richterin, bei der ich nicht wusste ob ich lachen oder weinen sollte. Letztendlich meinte die Richterin, ich solle meine "psychische Krankheit" aktzeptieren und mich einer Therapie unterziehen.
Die 600 Euro Strafe werde ich wahrscheinlich durch Arbeit statt Strafe abarbeiten müssen. Wenn jemand eine coole politische Stelle anzubieten hat, kann er oder sie sich gerne bei mir melden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da ich in Revision gegangen bin. Diese dürfte aber nicht sehr erfolgversprechend sein.
Berichte über die Berufungsverhandlung:
1. + 2. Prozesstag - http://de.indymedia.org/2009/11/266017.shtml
3. + 4. Prozesstag - http://de.indymedia.org/2009/11/267014.shtml