Roland Ionas Bialke - Indymedia - 23. August 2010
Über fünf Jahre gelang es Uns im Internet rechtsfreie Räume zu schaffen und aufrecht zu erhalten. Diese Zeit ist nun vorbei. Das letzte Experiment in Unserer Reihe fiel nun der Zensur und Unseren eigenen Machtkämpfen zum Opfer. Am 21. August 2010 wurde die Homepage "sprengstoff-verein.de" von der Strato AG auf "Anregung" des Berliner Staatsschutz abgeschaltet.
Vorauseilender Gehorsam nennen es die Einen, die Anderen nennen es Vertragsfreiheit. Jedenfalls schaltete die Strato AG am 21. August 2010 die Homepage "sprengstoff-verein.de" ab. Eine Abschaltung passiert aber nicht automatisch. Jemand muss schon einen Hinweis geben und etwas Druck machen. In diesem Fall der Berliner Staatsschutz.
Was war der Sprengstoff e.V.?
Der Sprengstoff e.V. wurde 2007 gegründet. Zum Jahreswechsel 2006/2007 gab es in der klandestinen Sprengmeister-Szene, diese Szene besteht grösstenteils aus jungen Männern die grob beschrieben Explosivstoffbasteln zum Hobby haben, mehrere hundert Wohnungdurchsuchungen. Die Betroffenen waren trotz riesiger Szene fast immer vereinzelt. Darum kamen einige auf die Idee einen Verein zu gründen, der sich um die Repressionsbetroffenen aus der Szene kümmert. Die Vereinsstruktur sollte zur Finanzierung der Arbeit dienen. Zu diesem Zeitpunkt gab es nämlich zwei grosse klandestine Chemikalienhandel und Wir wollten über eine Vereinsstrutur diesen Chemikalienverkauf untermauern.
Die Antirepressionsarbeit in dieser Szene gestaltete sich jedoch schwerer als gedacht. Fast jeden Tag wurde eine Person durchsucht oder in anderer Weise mit dem Repressionsapparat konfrontiert. Daneben gab es noch grossangelegte Razzien mit 50 bis 2000 Personen, die durchsucht wurden. Von Repression betroffene Personen gaben in diesem Zusammenhang schnell auf und waren nicht mehr gesehen. Wir wollten dem engegenwirken, was Uns aber nicht gelang.
Neben gezielter Medienarbeit - siehe z.B.: http://www.youtube.com/watch?v=d4QHFEoa61w - wurde auch über die Szene an sich aufgeklärt. Hier fiel Uns auf, dass die Szene sexistisch dominiert ist, wogegen einige etwas tun wollten und dies thematisierten. Jedoch kläglich scheiterten. Und auch militante Neonazis und Islamisten versuchten sich in der Szene breit zu machen, wurden aber teilweise erfolgreich bekriegt.
Letztlich gelang es Synthesebeschreibungen von Sprengstoffen, Mischungs- und Baubeschreibungen von pyrotechnischen Substanzen und Gegenständen, Baubeschreibungen von Waffen usw. pro Jahr etwa 4 Millionen Mal zu verbreiten. Hierzu stellten Wir eine grosse Datenbank an Downloadmöglichkeiten zur Verfügung. Und obwohl es hiess, nach ein paar Monaten wird diese Seite verschwinden, konnte die Homepage trotzt brisantem Inhalt mehr als drei Jahre bestehen.
Wie alles anfing...
Vor 5 Jahren fanden sich einige Menschen zusammen, die sich "für interessante Sachen interessieren". Das sind solche Sachen, bei denen fast alle Leute hellhörig werden und die spannend in Filmen verarbeitet werden. Diese Themen sind u.a. Explosivstoffe, Computerkriminalität, Lockpicking, Drogen und Gifte. Diese Leute beschlossen, lose strukturiert, nicht mehr versteckt verbotene Dinge zu machen, sondern ganz offen.
Der Erfolg war enorm. Die Foren und Gruppen (z.B. Hacksector, Xplosives, 1337crew) hatten stellenweise mehrere zehntausende Mitglieder und richteten Millionenschaden an. Doch umso mehr Menschen sich in den Szenen bewegten, desto mehr musste kontrolliert/administriert werden, desto mehr Machtkämpfe enstanden und Einfallstore für die Repressionsorgane wurden geöffnet.
Schliesslich war es für die Behörden ein Leichtes, diese Bewegungen zu infiltrieren, ihre führenden Köpfe zu bestrafen und den Rest einfach gegeneinander aufzubringen. Und so zerfleischte sich ein Forum und eine Szene nacheinander selbst. Der Rest blieb dann an einigen hartnäckigen hängen, zu denen ich mich zähle.
Spektrenübergreifende Arbeit
Wir versuchten spektrenübergreifende Arbeit zu machen. Es hätte auch zu gut gepasst. Freie Bildung, Kampf gegen staatliche Zensur, antifaschistische und Antisexistische Arbeit und der Einsatz für Freiräume. Doch so richtig wollte sich eine Zusammenarbeit mit anderen Gruppen, die sich mit den genannten Themen beschäftigen, nicht einstellen. Manchmal sieht jemand den Wald vor lauter Bäumen nicht - D.h. hier war eine revolutionäre Massenbewegung vorhanden, die fast komplett von der radikalen Linken übersehen wurde.
An dieser Stelle muss einfach mehr kommen: Hausbesetzer und Hausbesetzerinnen sollten sich auch um die "Freiräume" im Internet kümmern. Antifaschistische Menschen könnten militante Neonazis ausfindig machen oder könnten eine "Datenantifa" tatsächlich organisieren. Und die Leute, die sich gegen Zensur einsetzen, könnten den Staat in Frage stellen, anstatt das repressive Vorgehen gegen illegale Homepages zu rechtfertigen. Grüsse an den Lampenputer - Wir sollten endlich aufhören an die Zahlen Unserer Bankkonten zu glauben.
Nach fünf Jahren ist Schluss
Verschiedene Repressionsbehörden versuchten die Homepages "sprengstoff-verein.de" und "xplosives.org" zu schliessen. Nun ist es ihnen gelungen. Es wäre kein Problem sich einen neuen Host im Ausland zu besorgen oder Unsere Inhalte klandestin zu verbreiten, aber das war nie der Zweck Unserer Initiativen. Es ging darum offen mit brisanten und machmal auch widersprüchlichen Inhalten umzugehen und diese öffentlich zur Diskussion zu stellen.
Doch nach fünf Jahren blieben zu viele allein. Und so geht das nicht. Es geht darum, dass viele Menschen sich aktiv mit Themen auseinandersetzen und nicht, dass Einzelne sich mit Themen auskennen und andere sie dafür anbeten. Ich finde ja angebetet zu werden machmal ganz nett, doch auch so funktionierte es nicht: Allein für meine Arbeit musste ich teuer bezahlen, wurde mit 15.000 Euro Gerichtskosten, mehr als drei Wohnungsdurchsuchungen und sonstiger staatlicher Verfolgung bestraft.
Ich beobachtete, dass viele Menschen solche Szenen als Sprungbrett für ihre Karrieren benutzen. Bei mir soll das nicht der Fall sein. Meine veröffentlichten Arbeiten sollen gemeinfrei sein und ich will daran kein Geld verdienen. Letztendlich sind aber die, die es ehrlich meinen am Ende - Haben keinen Schulabschluss keine Ausbildung und müssen sich mit prekären Arbeiten zufrieden geben. Ich werde das auch tun und im sportlichen Bereich eine Arbeit übernehmen, bei der ich nicht einmal ausreichend versichert bin. Und ich bin mir sicher, der Staat wird nachtreten.
Wir lesen Uns,
es hat Spass gemacht! Für die staatszersetzende Kriminalität! Für den Kommunismus!
Roland Ionas Bialke (xv) - sprengstoff-verein.de - xplosives.org - lockpicking-forum.de