Roland Ionas Bialke - Indymedia - 27. Oktober 2010
Heute, am 27. Oktober 2010, wurden in Berlin ein weiteres Mal etliche linke Läden und Wohnungen von antifaschistischen Einzelpersonen durch Neonazis attackiert. Unter anderem gab es einen Brandanschlag auf den linken Infoladen M99. Der Berliner Staatsschutz kennt jedoch die Täter und hätte schon vor der letzten Tat gegen sie agieren können. Aber vor allem die schwache und zerstrittene antifaschistische Szene in Berlin trug ihren Teil zur Verhinderung solcher Taten nicht bei.
"Wer sind die Täter", fragen sich alle. Diese Frage hätte durch antifaschistische Recherchearbeit schon vor Monaten beginnen sollen. Wer die Täter sind, das ist ersichtlich, wenn logisch vorgegangen wird. Der polizeiliche Staatsschutz in Form seiner Operativeinheiten (LKA 6), das sind szenekundige Beamte und Beamtinnen in ziviler Kleidung, ist logisch vorgegangen und kennt daher die Täter.
Anti-Antifa-Arbeit ist erfolgreich
Die Frage ist, woher bekommen die Täter ihre Informationen über antifaschistische Strukturen? Darauf gibt es nur eine Antwort: Durch Anti-Antifa-Arbeit. Das Konzept der Anti-Antifa wurde Anfang der 1990er-Jahre von Christian Wroch entwickelt. Grob beschrieben bedeutet dieses Konzept für die Neonazis folgendes: So aussehen und so agieren wie Antifas. Das heisst vor allem, dass Gegner und Gegnerinnen auf Demonstrationen abfotografiert werden und später u.a. durch Prozessbeobachtungen die Daten und Zusammenhänge der Gegner und Gegnerinnen erfahren werden. Anschliessend wird klandestin (d.h. im Geheimen, beispielswiese durch Anschläge oder durch anonyme Outings) gegen sie vorgegangen.
Polizei sammelt Informationen
In Berlin ist die Seite nw-berlin.net federführend. Auf dieser Homepage wird regelmässig über linke Prozesse und Demonstrationen berichtet und in der "Chronik Berlin" Namen von antifaschistischen Personen veröffentlicht. Der Skandal ist jedoch, dass der Berliner Staatsschutz die betreibenden Personen kennt und sie gewähren lässt.
Die Anti-Antifas, die für diese Homepage schreiben, kommen nämlich zu den Gerichtsprozessen. Und dort sind auch die Operativeinheiten des LKA 6. Für Personen die nur einmal ein Prozess beobachten, mag das nicht einleuchtend sein. Jedoch ergibt sich ein Bild daraus, wenn viele Prozesse und die anwesenden Neonazis beobachtet werden und dann die gesamten Berichte auf den verschriftlichten Neonaziberichten gelesen werden. Dieses Verfahren nennt sich übrigens Reverse Engineering und die Polizei und besonders ihre Operativeinheiten kennen sich damit wunderbar aus.
Auf die Polizei sollte sich antifaschistische Menschen nicht verlassen! Besonders traurig ist, dass Antifas mit der Polizei schon seit langem Zusammenarbeiten und antifaschistische Recherchearbeit fast komplett vernachlässigen. So standen in den letzten Monaten viele antifaschistische Menschen in Prozessen nicht nur den Repressionsapparat allein gegenüber, sondern sie wurden teilweise erfolgreich bei den Prozessen von Neonazis ausgefragt.
Die Polizei reagiert in gewohnter Weise und versucht soviel Informationen wie möglich zu Erlangen. Da das bei Betroffenen leichter ist, zuerst bei den Betroffenen. Auffällig wird das dann, wenn anscheindend wohlwollende Staatsschutzbeamten Betroffene Personen als Zeugen vorladen, obwohl genau diese von den gleichen Beamten zuvor bedroht wurden. So bedrohte ein Beamter des LKA 5 einen Betroffenen bei einer Demonstrationen mit den Worten "Ich tret´ Dir den Kopf weg!" und spielt jetzt den "besorgten Polizisten", der gegen die "bösen Neonazis" helfen will.
Keine Diskussion innerhalb der Linken
Eine Auseinandersetzung mit dem Problemen innerhalb antifaschistischer Arbeit und den Streitereien innerhalb der Szene hat es nicht gegeben. Viele Aantifaschistische Aktivisten und Aktivistinnen stecken sich lieber ein Bier in den Kopf als gemeinsam über unangenehme Dinge zu diskutieren und sich miteinander auseinanderzusetzen. So ist es auch kein Wunder, dass Neonazis in Berlin langsam immer mehr erreichen. Denn die Berliner Neonazis sind definitiv klüger geworden und Wir unterschätzen sie und überschätzen Unsere eigene Stärke.
Sie sind einfach in Unseren Versammlungen und Uns fällt das nicht auf.
Informative Links:
http://de.indymedia.org/2010/03/275410.shtml
http://de.indymedia.org/2010/10/293008.shtml
http://de.indymedia.org/2010/09/289973.shtml (1. Ergänzung)
http://de.indymedia.org/2010/07/286335.shtml